Arthur C. Clarke - Fahrstuhl zu den Sternen by Fahrstuhl zu den Sternen

Arthur C. Clarke - Fahrstuhl zu den Sternen by Fahrstuhl zu den Sternen

Autor:Fahrstuhl zu den Sternen [Sternen, Fahrstuhl zu den]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-04-12T13:54:34.328000+00:00


Die erste Talfahrt

Es würden mindestens noch zwanzig Minuten vergehen, bis man etwas zu sehen bekam. Trotzdem befanden sich alle, die eigentlich in den Kontrollstand gehörten, draußen im Freien und starrten zum Himmel hinauf. Selbst Morgan vermochte der Versuchung kaum zu widerstehen und bewegte sich langsam auf die Tür zu.

In seiner unmittelbaren Nähe – und nie weiter als ein paar Meter entfernt – befand sich Maxine Duvals neuester Assistent, ein Athlet von siebenundzwanzig Jahren. Auf den Schultern trug er die üblichen Utensilien seines Handwerks: Zwillingskameras in der traditionellen Rechts-vorwärts-links-rückwärts-Anordnung. Über den Kameras schwebte eine Kugel von der ungefähren Größe einer Grapefruit. Die Antenne im Innern der Kugel vollbrachte wundersame Dinge: Wohin und wie schnell sich ihr Träger auch immer bewegte, sie blieb stets auf den nächsten Nachrichtensatelliten ausgerichtet. Am anderen Ende dieser komplexen Funkleitung saß Maxine Duval bequem in ihrem Studio, sah durch die Augen und hörte durch die Ohren ihres »zweiten Selbst«, ohne jedoch wie dieses die Lungen in der dünnen, kalten Luft strapazieren zu müssen. Diesmal hatte sie sich den bequemeren Teil ausgewählt; aber es ging bei weitem nicht immer so.

Morgan hatte sich auf das Arrangement mit einigem Zögern eingelassen. Er wußte, daß dies ein historischer Augenblick war, und akzeptierte Maxines Versicherung, »mein Mann wird Ihnen nicht in die Quere kommen«. Er war sich auf der anderen Seite aber deutlich all der Dinge bewußt, die bei einem so neuartigen Experiment schiefgehen konnten – besonders während der letzten hundert Kilometer des Abstiegs durch die Atmosphäre. Schließlich und endlich jedoch konnte er sich darauf verlassen, daß Maxine sowohl Fehlschlag als auch Erfolg ohne Sensationalismus behandeln würde.

Wie alle großen Berichterstatter blieb Maxine Duval gefühlsmäßig nicht unberührt von den Ereignissen, über die sie berichtete. Sie schilderte objektiv und ohne Auslassung alle Gesichtspunkte, die sie für wesentlich hielt. Sie machte dabei keinen Hehl aus ihren Gefühlen, erlaubte ihnen jedoch nicht, ihre Darstellung zu färben. Sie hatte enormen Respekt vor Morgan und betrachtete ihn mit der neidischen Ehrfurcht des Menschen, dem alle schöpferische Fähigkeit abgeht. Seit der Fertigstellung der Brücke von Gibraltar hatte sie darauf gewartet, was der Ingenieur als nächstes unternehmen würde. Sie war nicht enttäuscht worden. Aber obwohl sie Morgan Glück wünschte, mochte sie ihn nicht wirklich. Nach ihrer Ansicht verwandelten ihn die Energie und die Unaufhaltsamkeit seines Ehrgeizes in etwas, das zugleich mehr als lebensgroß und weniger als menschlich war. Sie konnte nicht umhin, ihn mit Warren Kingsley, seinem Stellvertreter, zu vergleichen. Der war ein durch und durch netter, angenehmer Mensch. (»Und ein besserer Ingenieur als ich«, hatte Morgan einst ziemlich ernsthaft zu ihr gesagt.) Aber niemand erfuhr je von Kingsley; er würde stets im Schatten seines beeindruckenden Vorgesetzten stehen. Und damit völlig zufrieden sein.

Warren hatte ihr mit viel Geduld die erstaunlich komplexe Mechanik der Talfahrt erklärt. Dem Laien erschien es die einfachste Sache der Welt, einen Gegenstand von einem Ort, der sich über dem Äquator befand, zu diesem hinabfallen zu lassen. Aber die Astrodynamik war voll von Widersprüchen. Wenn man zu bremsen versuchte, bewegte man sich schneller; der kürzeste Weg verbrauchte den meisten Treibstoff.



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